News erstellt am:


Der Klimawandel und wir

Zurück Nächste News Alle

22.09.2020 //

Was ist unsere Verantwortung in Kirche, Politik und Wirtschaft?

Tagung zum Eidgenössischen Bettag des Kloster Kappel und der Standortförderung Knonauer Amt

Mit Prof. Dr. Andreas Fischlin ist es gelungen, einen der renommiertesten Klimaforscher für das Hauptreferat zu diesem zentralen Menschheitsthema zu gewinnen. Als leitender Autor der Klimaberichte des Weltklimarates IPCC wurde er 2007 Mitempfänger des Friedensnobelpreises.

«Ich höre immer wieder, wie Leute sagen ‹Es bringt doch nichts, wenn ich alleine etwas unternehme›, oder ‹Die Schweiz als so kleines Land hat auf den Klimawandel doch sowieso keinen Einfluss›. Ich hingegen sage: Jeder kleinste Tropfen auf den heissen Stein hilft. Und jedes halbe Jahr, um welches wir den Klimawandel eindämmen können, lohnt sich. Auch wenn es eine unglaublich schwierige und historisch einzigartige Herausforderung für die Menschheit ist.»

Fischlin betonte das vom Bund propagierte Ziel ‹netto null› für fossile Energieträger. Ab sofort sollten die Investitionen in klimaschädigende Projekte gestoppt werden. Um die Auswirkungen des Klimawandels zu illustrieren, brachte der Forscher das Beispiel von zwei Bildern aus dem ­Luzerner Gletschergarten. Eines zeigte das tropische Klima in der Schweiz vor vier Millionen Jahren und ein anderes vor 18’000 Jahren unter einer Eisschicht. Während der Tropenphase und einem Plus von zwei bis drei Grad mehr Durchschnittstemperatur war der Meeresspiegel damals etwa 14 Meter höher als heute. Während der Eiszeit dagegen war der Meeresspiegel um sogar 105 Meter tiefer als heute.

Beunruhigende Prognosen

Die Zukunft der Erde gehe eher wieder Richtung Tropenphase. Man habe ­alleine in den letzten 60 Jahren einen Temperaturanstieg in der Schweiz von 8,5 auf 9,4 Grad festgestellt. Dies während zwei je 30-jährigen Messperioden ab 1960 und ab 1990. Wenn wir so weitermachten, gebe es ein Plus von 4,7 Grad bis Ende des Jahrhunderts. Bis ins Jahr 2300 sei eine Temperaturzunahme von 8,5 Grad möglich. Anhand diverser Charts zeigte Fischlin, dass die Erderwärmung kein Hirngespinst, sondern Realität ist. Er widerlegte die Thesen der Klimaskeptiker, die sagen, dass es Klimaerwärmung schon immer gegeben habe. Im Winter werde es spürbar wärmer, nicht im Sommer. Im internationalen Vergleich habe die Klimaerwärmung in der Schweiz sogar doppelt so stark zugenommen, da wir mehr ländliche und Bergregionen mit Gletschern ­haben. Die Folgen betreffen alle Lebensbereiche, vor allem aber den Wald, die Landwirtschaft und die Wasserwirtschaft. Es sei ein Teufelskreis, denn je wärmer es werde, desto stärker äusserten sich auch die negativen Folgen wie extreme Trockenheit und extremer Regen, der zu Überschwemmungen führt. Dazu komme das Schmelzen des Permafrosts, der Bergstürze und Erosionen in Berggebieten bewirke. Die Entwicklungsländer treffe es besonders hart, was wiederum Völkerwanderungen und Flüchtlingsströme auslöse. Mit unserer Lebensweise und unserem Einfluss auf die Politik hätten wir es in der Hand, die Entwicklung zumindest zu bremsen.

Was können wir tun?

Die anschliessende Podiumsdiskussion moderierte Pfr. Volker Bleil, Theologischer Leiter des Kloster Kappel. In der Runde hob Charles Höhn von der Energieregion Knonauer Amt hervor, dass diese bereits 26 Prozent der Energiebedarfs in der Region erneuerbar decke und die Region somit wesentlich klimafreundlicher dastehe, als die der Schweizer Durchschnitt. – Fischlin reichte das nicht: Er betonte, die Messlatte dürften nicht „die anderen“ sein, sondern müsse immer der wissenschaftlich definierte Absenkpfad auf netto Null sein.

Pfrn. Dr. Esther Straub, Kirchenrätin der Reformierten Landeskirche betonte, die reformierte Landeskirche erwähne die „Bewahrung der Schöpfung“ schon am Anfang der Kirchenordnung an prominenter Stelle, dem müsse mehr nachgelebt werden. Deswegen, so kündigte sie an, würden nun alle Kirchen vom Kirchenrat aufgefordert, den „grünen Güggel“, ein speziell kirchliches Nachhaltligkeitszertifikat, zu erlangen.

SP Kantonsrätin Hannah Pfalzgraf ortete einen Klimatreiber auch im kapitalistischen Wirtschaftssystem. Dem konnte Unternehmer Marcel Strebel sogar auch etwas abgewinnen: Er stellt fest, dass selbst die öffentliche Hand die Auftragsvergaben in der Regel fast ausschliesslich dem scheinbar günstigsten Preis vergebe. Da hätten nachhaltige Produkte und Leistungen oft das Nachsehen.

Am gleichen Strick ziehen

Bevor Johannes Bartels, Geschäftsleiter der Standortförderung, zum Apéro einlud, nahm er Fischlins Anliegen auf und versprach, dass sich die Energieregion Knonauer Amt künftig mehr an wissenschaftlich definierten Messlatten orientieren werde, ausserdem bot der den Kirche an, dass die Energieregion mit Energieberatungen auch den Kirchen helfen könne.